Zwischendurch sind einige Räusperer und ,Ähhms…‘ zu hören, aber das soll doch nicht zu hören sein!“ stöhnt Rebecca Kral, Schülerin der Bruno-Bürgel-Gesamtschule in Rathenow. Rebecca nimmt an dem Projekt „Die Sprachen des Flusses – ein Radioprojekt deutscher und tschechischer Jugendlicher entlang der Elbe“ teil, das die Deutsche Umwelthilfe im Rahmen der Initiative Schulen für eine Lebendige Elbe im Herbst 2012 gestartet hat. Diesmal sind fünf Schulen mit dabei.
Rebecca und 43 weitere Jugendliche aus den Klassenstufen 7 bis 12 sowie sieben Lehrerinnen und Lehrer trafen sich das erste Mal in Magdeburg. Dort probierten die Jugendlichen in ersten Interviews aus, wie ein Aufnahmegerät funktioniert und wie man ein Mikrofon hält. Mila Zaharieva-Schmolke, Referentin und Leiterin des Internationalen Jugendradios „YCBS – Youth Connected By Sounds“, zeigt den Schülerinnen und Schülern, wie sie mit einer professionellen Software Gesprochenes digital zuschneiden und mit Musik unterlegen können. „Radio und die Arbeit mit jungen Menschen sind meine Leidenschaft!“ sagt sie begeistert. Die Technik der Radioreportage und die Struktur für einen Radiobeitrag erklärt sie auf Deutsch und Tschechisch. Wie komponiert man einen kompletten Radiobeitrag – auch genannt Radiofeature? Schmolke gibt dafür wertvolle Tipps: Suche ein Thema, beginne mit einem guten Einstieg, um das Thema vorzustellen, rolle dann die Geschichte auf, lasse den Höhepunkt der Geschichte und den Schluss folgen. Der Schluss soll wiederum einen Bogen zum Einstieg schlagen, ähnlich wie bei einem geschriebenen Text. Später erklärt sie, wie aus den einzelnen digitalen Beiträgen ein kompletter Beitrag komponiert wird.
Radio machen für Umweltbildung
So viele Informationen auf einmal! Da brauchte man ab und zu mal eine Pause: Magdeburgs gotischer Dom, das Hundertwasser-Haus – die grüne Zitadelle – und die Katakomben lockten die Schülerinnen und Schüler in die winterliche Stadt an der Elbe. Die ehrerinnen und Lehrer lernen auch dazu und motivieren die Jugendlichen: Ein erster Entwurf für die Radiobeiträge schreibt sich schließlich nicht von alleine, und bei den vielen Einzelteilen verliert man schnell den Überblick – zumal in der Anfangsphase noch viel umgeschrieben wird. Nebenbei entdecken auch die Lehrerinnen und Lehrer die Welt des Radios und versuchen sich an Mikro und Schneidetechnik. Zwischen den Treffen in Magdeburg und Prag erlernen die Schülerinnen und Schüler die Grundlagen der Medienarbeit: es geht ans Recherchieren und daran, für jede Schule ein Thema zu finden, das ein Teil des Radiobeitrags „Die Sprachen des Flusses“ wird. Die Jugendlichen tauschen ihre Ideen per Mail und Facebook aus. Auf diese Weise nähern sie sich dem Thema Fließgewässer und
entdecken hier kulturelle und ökologische Zusammenhänge, die sie für die Umwelt nachhaltig prägen.
Schülerinnen und Schüler
und „ihre Elbe“ Über Sagen und Märchen rund um die Stadt Brandenburg komponieren die Schülerinnen und Schüler des Bertolt-Brecht-Gymnasiums der Stadt Brandenburg einen Beitrag. Es ertönt das Fritz-Bollmann-Lied – gespielt auf der Trompete.
Die Sage Marienberg wird erzählt: Ein Mädchen aus dem Geschlecht der Riesen verschüttete beim Spielen Sand, als ihm der Teufel erschien. Aus dem Sand entstand in der Stadt der Marienberg. Die Jugendlichen beschreiben den Bollmannbrunnen, und eine Schülerin singt das Bollmannlied – ein Spottlied über den cholerischen Barbier Fritze Bollmann, der ein Original der Stadt war. Über den Roland – eine mittelalterliche Figur vor dem Altstädtischen Rathaus – und das
Havelfest rund um die Jahrtausendbrücke berichten die Schülerinnen und Schüler. Zum Schluss interviewen sie die zwei Havelköniginnen. Wir bleiben an der Havel und bestaunen in Kleinmachnow die alte Schleusenanlage. Die Maxim-Gorki-Gesamtschule stellt
die Schleuse vor, die die Nebenflüsse Spree und Havel hier schiffbar macht – ein imposantes, über hundertjähriges Bauwerk. Eine geschichtsinteressierte Einwohnerin wurde von Jonas und Pascal zum Schleusenbau interviewt.
An der historischen „Schleusenbude“ haben Roman, Philipp und Jonas den Schleusenwärter zur heutigen Nutzung der Schleuse befragt: Im Projekt 17 sollen der Teltowkanal und seine Schleuse in großem Stil ausgebaut werden. Diese Ausbaupläne sind zum Glück im
Moment gestoppt. Lukas und Robin besuchten eine ehemalige Schülerin der Maxim-Gorki-Oberschule auf „ihrem“ Schiff. Sophie lernt ein Fahrgastschiff zu steuern, das die Gewässer in und um Berlin befährt. Sie konnte viel Wissenswertes über diese Gewässer und auch über ihre Ausbildung zur Binnenschifferin erzählen. Die Musik zum Beitrag erstellte Jonas selbst. Während unseres Treffens in Eberswalde arbeitete Jonas konzentriert mit Computer und Kopfhörern.Von den sandigen Ufern an den Nebenflüssen Havel und Spree besuchen wir flussaufwärts gelegen die hügelige Stadt Prag am Nebenfluss Moldau. Seit 13 Jahren ist das Theaterschiff Tajemství dort auf Elbe und Moldau unterwegs, erzählen Jugendliche des Gymnazium Jana Placha.
Es war früher einmal ein alter Frachter, der Getreide oder Sand transportierte und den die Brüder Miloš und Petr Forman zum Schiff der Geheimnisse umgebaut haben. In dieser besonderen Atmosphäre finden ausgewählte Theaterabende,
Konzerte, Lesungen und Tänze für Jung und Alt statt, die regelmäßig ausverkauft sind. Vom schwimmenden Kulturschiff an der Moldau reisen wir weiter an den Oberlauf der Elbe zu einem Ruderklub in Lysá , nordöstlich von Prag. Über „Drei
Generationen an der Elbe (tsch. Labe)“ berichten die Schülerinnen und Schüler der Zakladni Skola B. Horzný Lysá nad Labem. Der Ruderklub in Lysá feiert in diesem Jahr seinen 70sten Geburtstag. Er wurde 1943 von Emanuel Ordnung und Antonín Hradecký egründet. Hugo Rejthar, eines der ältesten und aktivsten Mitglieder des Ruderklubs, Jan Krumpholc, der Vorsitzende und Trainer und seine Tochter Anna Krumpholcová, aktive Ruderin, 15 Jahre alt und bis Juni 2013 selbst am Radioprojekt beteiligt, erzählen in Interviews über ihre große Leidenschaft fürs Rudern. Der Beitrag wird mit Rudergeräuschen und Trainingskulisse unterlegt.
Vielleicht werden die Schülerinnen und Schüler der Bruno-Bürgel-Gesamtschule zusammen mit den Jugendlichen vom Gymnazium Jana Placha im Rahmen ihrer Schulpartnerschaft auch einmal auf der Elbe rudern. Wie sie die Schulpartnerschaft mit dem Gymnazium
Jana Placha anbahnen, erzählen sie in Interviews. Den Beitrag untermalen die jungen Radiomacher mit der „Moldau“ von Bedrich Smetana. Um sich die GEMA-Gebühren zu sparen, griffen die Jugendlichen kurzerhand selbst zu den Instrumenten. Die Sinfonie symbolisiert die Verbindung der beiden Schulen: Die Moldau fließt zunächst durch Prag, dem Standort des tschechischen Gymnasiums. Dann mündet sie in die Elbe, die wiederum nahe an Rathenow, der Heimat der deutschen Gesamtschüler, vorbeifließt.
Lebendige Elbe –trotz Jahrhunderthochwasser
Das Frühsommer-Hochwasser in Ostdeutschland forderte auch bei der Radiowerkstatt seinen Tribut: Aufgrund der verheerenden Hochwasserlage sagten die Veranstalter den für Anfang Juni geplanten Workshop im tschechischen Pardubice ab. Das abschließende Treffen aller Schulen findet im Oktober statt. Bis dahin werden im Internet die ersten beiträge zu finden sein.
Brigitte Nikoleit, Lehrerin an der Maxim-Gorki-Gesamtschule, Kleinmachnow.
Ines Wittig, DUH-Projektmanagerin
Umweltbildung, leitet das Projekt
„Die Sprachen des Flusses“.